Trockenheit und Hitzewelle: Die Brandgefahr wächst

Ein Interview mit Gemeindewehrführer Dr. Frandrup-Kuhr zur Gefahr von Flächenbränden in Dallgow-Döberitz, wie die Feuerwehr darauf reagiert und was jeder Einzelne tun kann.

Das Klima verändert sich beeindruckend. Während die Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur eher nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, sind es dafür andere Phänomene wie Temperaturextreme, Stürme und ausbleibender Regen umso mehr. Grüne Grasflächen sieht man oftmals nur noch auf Privatgrundstücken, Bäume verlieren vorzeitig ihre Blätter. Teils wähnt man sich aufgrund von Laub und verdorrter Blüten auf den Wegen optisch schon im Herbst. Auf heiße Tage mit deutlich über 30 Grad Celsius folgen unerwartet kühlere Tage mitten im Juli. Aber die nächste Hitzewelle steht direkt bevor und schickt sich an, ganz neue Rekorde aufzustellen. Insbesondere Brandenburg ist durch extreme Trockenheit und fehlende Niederschläge gebeutelt. Mitte Juni standen bei Treuenbrietzen und Beelitz jeweils 200 Hektar Wald in Flammen. Ein Gemeindeteil musste gar evakuiert werden. In Dallgow-Döberitz hat sich Feuer mehrmals durch Ödland, Getreidefelder und Waldflächen gefressen. Um weitere Brände zu vermeiden, ist jeder aufgefordert, umsichtig zu sein und sich entsprechend zu verhalten. Wir haben mit Dr. Oliver Frandrup-Kuhr, Gemeindewehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Dallgow-Döberitz, zur Gefahr von Flächenbränden in der Gemeinde und der umliegenden Döberitzer Heide gesprochen.

 

Herr Dr. Frandrup-Kuhr, die letzten Brände in Dallgow-Döberitz sind erst wenige Tage her. Wie haben Sie die zurückliegenden Einsätze wahrgenommen? Hat sich die Häufigkeit und Intensität der Brände hier in der Region im Vergleich zu früher verändert?

Rein statistisch gesehen hat sich in diesem Jahr die Anzahl der Brände von Ödland, Getreidefeldern und Waldflächen bereits verdoppelt:  Dieses betrifft 15 % der jetzt schon knapp 160 Einsätze in diesem Jahr. Allerdings haben wir mit jetzt schon acht Hektar betroffener Fläche eine Dimension erreicht, die letztmalig 2004 erreicht wurde. Damals galt es u. a. einen großen Feld- und Waldbrand in Seeburg zu bekämpfen. Im Gemeindegebiet sind wir in den letzten 30 Tagen zu acht Einsätzen ausgerückt, die nur durch sehr schnelles Eingreifen der örtlichen Kräfte in Verbindung mit einer massiven Unterstützung durch Tanklöschfahrzeuge aus der Umgebung eingedämmt werden konnten. Ansonsten hätte ein Übergreifen auf bewohntes Gebiet oder die Zerstörung größerer Sachwerte nicht verhindert werden können. Das ist neu, das sind Herausforderungen, die sonst vielleicht ein- bis zweimal in fünf Jahren vorkommen. Die verheerenden Waldbrände in Treuenbrietzen und in der Lieberoser Heide, an beiden standen Einsatzkräfte aus Dallgow-Döberitz jeweils über 24 Stunden den dortigen Einsatzkräfte zur Seite, haben gezeigt, was passieren kann, wenn solche Feuer außer bzw. nur schwer unter Kontrolle zu bringen sind.

Unsere Gemeindelandschaft ist von der Döberitzer Heide geprägt. Gibt es bei der lokalen Flora Besonderheiten in Bezug auf Entwicklung und Ausbreitung von Feuern? Welche Lehren haben Sie für das Löschen derartiger Flächenbrände gezogen? Sind konkrete Maßnahmen wie das Entfernen von Totholz oder die Einrichtung von Waldbrandschutzstreifen sinnvoll oder werden gar schon praktiziert?

Die Döberitzer Heide ist geprägt von unterschiedlichster Flora. Das ist gut so. Da die Waldflächen häufig Mischwald sind, konnten sich in den letzten 30 Jahren Feuer nicht so rasch ausbreiten, wie wir es von den größeren Waldbränden in den südlichen Brandenburger Landesteilen kennen. Aufgrund der Munitionsbelastung weiter Teile der Heide konnten wir zwar nur mit größtmöglichem Abstand löschen, doch die Ausbereitung hielt sich glücklicherweise jeweils in Grenzen. Immer dann, wenn Feuer im Bereich von Freiflächen mit niedrigem Bewuchs entstand, wurde es auch am Rande der Heide kritisch. Hier sind die Maßnahmen der Sielmann-Stiftung zum Offenhalten der Heideflächen nicht nur aus landschaftsökologisch Sicht sinnvoll, sondern verhindern großflächige Brände. Eine Besonderheit stellen Flächen mit morastig-sumpfigem Untergrund dar. Viele dieser so genannten Fenne werden durch den fallenden Grundwasserspiegel trockener. Brennt es hier, so hat man Eindringtiefen in den Boden von fast einem halben Meter.

Die Wettervorhersagen für die nächsten Tage sagen hohe Temperaturen jenseits der 30 Grad erst im Westen und dann in unserer Region voraus. Was erwarten Sie konkret? Gibt es etwas, das Ihnen besondere Bauchschmerzen bereitet?

Eine Faustregel bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden bei der Feuerwehr besagt, dass es bei über 30 Grad Celsius, unter 30 % Luftfeuchtigkeit und über 30 km/h Windgeschwindigkeit sehr schnell zu Situationen kommt, bei der sich kleinere Brände auf Feldern und Wäldern ausbreiten können. Diese Gefahr kennend sind wir und die Regionalleitstelle in Potsdam sensibilisiert. Von Anfang an werden ein erhöhter Kräfte- und Mittelaufwand unter überörtlicher Beteiligung vorgesehen, so dass schnell im rückwertigen Bereich genügt Löschwasser herangeschafft werden kann. Das Problem beim Löschen besteht nicht darin, dass man nicht schnell genug vor Ort ist, sondern dass die Löschwasserlogistik häufig komplex ist.

Wie gut sind Sie auf eine längere Trockenperiode mit permanent hoher Brandgefahr vorbereitet? Sehen Sie örtliche Gebäude und Infrastruktur in Dallgow, Rohrbeck und Seeburg konkret gefährdet?

Auch abseits der heißen Sommermonate sind wir fortlaufend dabei, unsere Kenntnisse und Fähigkeiten sowie unsere Ausrüstung hinsichtlich Feld- und Waldbrände weiter zu optimieren: Führungskräfte werden zum Thema „Vegetationsbrandbekämpfung“ umfangreich geschult und geben ihr Wissen um Taktik und Löschwassermanagement als Multiplikatoren an alle Kameradinnen und Kameraden weiter. Vor Ort wird die Handhabung der speziellen Ausrüstung wie Waldbrandrücksäcke, Waldbrandtragekörbe und speziellen Werkzeugen dann auch regelmäßig praktisch vermittelt. Örtliche und überörtliche Übungen festigen das Gelernte.

Anders als in anderen Landesteilen Brandenburgs befinden sich in Dallgow-Döberitz die meisten Siedlungsgebiete nicht direkt in oder am Rande von Waldgebieten. Das sollte uns hier zwar nicht in kompletter Sicherheit wiegen, wir haben aber räumlich gesehen stets breitere Korridore, in denen wir für den Fall der Fälle hinreichend effektive Riegelstellungen aufbauen können. Das sind Einsatzabschnitte, wo Feuerwehrauto an Feuerwehrauto steht und größere meist kilometerlange Streifen feucht gehalten werden können, in denen sich das Feuer dann quasi auslaufen könnte.

Was wissen Sie über die Entstehung der Brände, die Sie gelöscht haben? Und vor diesem Hintergrund: Was kann jeder Einzelne tun, um Waldbrände bzw. auch deren Ausbreitung zu verhindern?

Bei jedem Feld- und Waldbrand im Gemeindegebiet ist auch die Polizei zugegen. Mit den Angaben von uns Einsatzkräften und Zeugen vor Ort wird dann auch die mögliche Ursache „Brandstiftung“ abgeprüft. Eine solche ist leider oft schwer nachweisbar, am ehesten aber dann, wenn man Brandbeschleuniger findet oder Brandherde, die nur wenige Meter voneinander entfernt sind.

Die meisten Feld- und Waldbrände entstehen entweder durch Unachtsamkeit oder aus Absicht. Folgendes kann jeder und jede beachten, um einen Großeinsatz zu verhindern:

 

Rauche nicht im Wald und werfe dort keine Zigaretten weg!

Im Sommer solltest du weder mit dem Auto noch mit dem Motorrad Waldwegn oder Feldwege mit Bewuchs befahren. Durch die heißen Katalysatoren kann sich trockenes Unterholz oder Gras leicht entzünden!

Entfache kein Lagerfeuer am Waldrand. Funken könnten aus der Glut springen und einen Brand auslösen!

Melde Schwelfeuer oder einen Brand sofort der Feuerwehr unter der Telefonnummer 112!

Behindere nicht die Einsatzkräfte durch Zuparken von Wasserentnahmestellen und Zuwegungen zu den betroffenen Felder und Wäldern!

 

Alles deutet darauf hin, dass Brandenburg auf längere Zeit eine sehr trockene Region bleiben wird. Wie werden Sie und die Brandenburger Feuerwehren sich mittel- bis langfristig auf diese Situation einstellen und was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Der Landesbetrieb Forst nutzt das sensorgestützte Waldbrand-Früherkennungssystem „Fire Watch“, um die Wälder in ganz Brandenburg zu überwachen. Erkennt ein Kamerasensor eine Rauchwolke, erfolgt an einem der Arbeitsplätze in den Waldbrandzentralen eine Alarm-Meldung. Erkannte Brände werden an die zuständige Regionalleitstelle gemeldet. Gemeinsam ist man dabei, diese Meldeketten noch weiter zu verkürzen und die Einsatzkräfte noch präziser zum Einsatzort zu navigieren. So erreicht man die Einsatzstelle schnellstmöglich, bevor das Feuer sich unkontrolliert weiter ausbreiten kann.

Es ist sehr gut, dass das Land die so genannten TLF-W BB fördert. Dieses Fahrzeug stellt ein Spezialtanklöschfahrzeug dar. Es ist ausdrücklich für den Einsatz im unwegsamen Gelände und zur Vegetationsbrandbekämpfung konstruiert und ausgestattet. Die Freiwillige Feuerwehr Dallgow-Döberitz bekommt in Kürze ein derartiges Fahrzeug.

Das Land Brandenburg hat als neue Technik auch fünf Hochleistungsfördersysteme (HFS, bis 6000 l Wasser pro Minute können gefördert bzw. weitergeleitet werden) auf geländegängigen Wechselladerfahrzeugen beschafft. Eine davon ist bei der Feuerwehr Potsdam stationiert und könnte, sofern erforderlich auch in unserem Gemeindegebiet zum Einsatz kommen.

Um die zur Verfügung stehende Technik zielgerichtet einzusetzen, wird die hiesige Feuerwehr zusammen mit der Gemeinde Dallgow-Döberitz Feuerwehreinsatzpläne für mögliche Einsatzszenarien erstellen. So kann direkt mit einer vorgeplanten Aufstellung begonnen werden und die ganze Konzentration auf die Feinausplanung und Umsetzung der Einsatzstrategie gelegt werden. Allerdings wird es fortwährend kleinere und größere Investitionen benötigen, um die Ausstattung noch weiter zu optimieren.

 

Herr Dr. Frandrup-Kuhr, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

Flächenbrand_01

Feldbrand bei Engelsfelde am 17.07.2022 (Foto: FFW Dallgow-Döberitz)

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Dallgow-Döberitz

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